8.08.2023 / 17:05 Uhr

Von Kunstblut bis zur Animatronic – Wie Special Effects das Horror-Genre bis heute beeinflussen

Die Raumschiff-Crew sitzt beim Essen, man lacht und die Stimmung ist heiter. Plötzlich scheint sich einer der Anwesenden zu verschlucken, er hustet erst leicht, doch der Anfall wird stärker. Er steht auf und fängt an zu würgen. Nachdem er auf den Tisch fällt und anfängt wild um sich zu schlagen, können die anderen ihn nur mit Mühe fixieren. Auf dem T-Shirt zeichnen sich in der Brustgegend rote Flecken ab. Die Brustdecke wölbt sich und explodiert. Ein gellender Schrei und ein kleines Alien windet sich aus der Brust.

Dieser Chestburster-Effect aus dem Film Alien ist einer der ikonischsten Momente der Horrorfilm Spezialeffekte und wahrscheinlich die Szene, die einem bei dem Genre Sci-Fi Horror in den Kopf kommt. Damit solche Szenen funktioniert und sie beim Zuschauer ihr volles Schrecken erregendes Potential entfaltet, werden, Special Effects benötigt.

Was macht einen Special Effect aus?

Special Effekts sind Techniken, welche dabei helfen im Film eine realitätsnahe Illusion zu schaffen. Diese werden allerdings ausschließlich während des Drehs erzeugt. Dadurch unterscheiden sich Special Effects (SFX), nicht zu verwechseln mit Sound Effects welche auch mit SFX abgekürzt werden, von Visual Effects (VFX). Bei VFX werden die Effekte beim Nachbearbeiten, etwa beim Schnitt oder mittels Greenscreen erzeugt.

Während bei den ersten Alien-Filmen eine real existierende Puppe mit mechanischem Skelett verwendet wird, also ein SFX, wird seit Alien 3 nahezu ausschließlich auf computergenerierte (CGI) Xenomorphs gesetzt und somit auf VFX.

Typische praktische Effekte, die zu den SFX zählen, sind:

  • Puppen oder Animatronik
  • Wettermaschinen, die etwa Wind, Schnee oder Nebel erzeugen
  • Pyro- und Waffentechnik
  • Modellaufnahmen, etwa Miniaturnachbauten eines Raumschiffs
  • Kunstblut, Prothesen und Körpermasken für Splattereffekte

SFX im Horrorfilm

In der Filmgeschichte, gerade im Horrorgenre, gibt es unzählige Beispiele für herausragende SFX. Ein frühes Beispiel ist im Film King Kong und die weiße Frau (1933) zu finden. Auch wenn King Kong heute eher als Action beziehungsweise Abenteuerfilm eingestuft werden würde, in der Frühzeit der Filmgeschichte sorgte die berühmten Riesenaffenpuppen beim Publikum für Gänsehaut. Die Kombination aus Puppen, Stop-Motion Technik und Modellaufnahmen war so einflussreich, dass ein ganzes Genre der Tierhorrorfilme entstand. Neben Tarantula (1955), Der weiße Hai (1975) waren diese SFX auch Inspirationsquelle für die Godzilla-Reihe und damit auch für das japanische Kaiju-Genre.

John Carpenter ist ein Kultregisseur im Horrorgenre. Die Verwendung seiner SFX ist legendär. Während der erste Halloween Film noch auf eher minimalistische Effekte setzt, geizen die Fortsetzungen nicht mit dem Einsatz von Kunstblut und begründet nebenbei das Slasher-Genre. Wirklich wegweisend aber sind die SFX in seinem Film Das Ding aus einer anderen Welt (1982) einem Remake des 1952 erschienenen gleichnamigen Filmes. Während im Original das Alien nicht besonders spektakulär aussieht, schafft Carpenter mit seinen Animatronicen wahre Schreckgestalten.

Der Maskenbildner Rick Baker bekam für seine Arbeit im Film American Werewolf (1981) einen Oskar. Die Werwolfsmasken sind besonders eindrucksvoll in der Verwandlungsszene zu sehen. Eine Vielzahl an Köpfen und Körperteilen wurden benutzt, um diese animalische Verwandlung möglichst grotesk erscheinen zu lassen.

Auch wenn der Film Psycho (1960) von Alfred Hitchcock den meisten wegen seiner exzellenten Soundeffekte und dem Orchester in Erinnerung blieb, ohne SFX wäre die Dusch-Szene nicht möglich gewesen. Das Blut, welches im Abfluss versickert, ist ein praktischer Effekt. Es handelt sich nicht um Kunstblut, sondern um Schokoladensoße. Dank der fehlenden Farben fällt es dem Zuschauer jedoch nicht auf und erlaubte es Hitchcock, die bekannteste Szene des Psychothriller-Genres zu drehen.

Natürlich gibt es noch eine Vielzahl an weiteren Horrorfilmen, die mit beeindruckenden SFX glänzen können, eine kleine Auswahl an bekannten und weniger bekannten Filmen:

  • Der Exorzist (1973)
  • From Beyond – Aliens des Grauens (1986)
  • Event Horizon (1997)
  • Hellraiser (1987)
  • Re-Animator (1985)
  • Die Fliege (1986)
  • Tanz der Teufel (1981)

Auch wenn sich diese Liste beliebig erweitern lässt, eines fällt auf, Beispiele von SFX jenseits der 1990er Jahre zu finden ist schwierig. CGI sorgt mehr und mehr dafür, dass auf SFX verzichtet wird.

Warum Visuelle Effekte so erfolgreich sind

Ein Grund weshalb VFX SFX verdrängt ist, dass sich mithilfe von CGI Bilder und Szenen abbilden lassen, welche mit praktischen Effekten nahezu unmöglich darzustellen sind. Ein Beispiel sind die bereits erwähnten Alien-Filme, eine Xenomorph Animatronic ist limitiert in dem, was die mechanischen Möglichkeiten hergeben. Wenn das Alien aber flink an der Decke herumlaufen soll oder mehrere Aliens gleichzeitig auf dem Bild zu sehen sein soll, ist CGI die meist einzige Möglichkeit, diese Szenen zu verwirklichen.

CGI mag zwar teuer sein, da er Zeit und Personalintensiv ist, allerdings garantieren sie Erfolg. Bei SFX kann es passieren, dass die Aufnahme nicht gelungen ist und ein Re-Shoot zu teuer oder sogar unmöglich ist. Ein Beispiel ist der Film Der General (1926), bei diesem Stummfilm fährt ein Zug über eine brennende Brücke während diese mittels Sprengsätzen zum Einsturz gebracht wird. Wenn die Pyrotechnik versagt hätte oder zu früh explodiert wäre, wäre eine erneuter Dreh nicht möglich gewesen. Die Kosten waren einfach zu hoch. Glücklicherweise lief alles glatt und die Szene ist auch heute noch beeindruckend anzusehen, aber der Punkt ist, mit CGI braucht man kein Glück.

Auch aus sicherheitstechnischen Gründen lohnt sich für die Filmproduzenten VFX. Es gibt unzählige Beispiele, bei denen durch praktische Effekte Verletzungen entstehen oder sogar Leben verloren werden. Bei VFX kann dies nicht passieren.

Vorzüge von Special Effekts im modernen Film

stock.adobe © sidney

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Aber SFX haben auch ihre Vorteile. CGI wirkt schnell „billig“ oder fehl am Platz. Auch wenn die Technik immer ausgereifter wird, nicht jeder Produzent hat die Mittel eines James Cameron zur Verfügung. Bei SFX hingegen kann selbst mit wenig Geld ein überzeugendes Ergebnis erzielt werden. Durch Kameraführung und Belichtung können auch weniger realistisch aussehende Puppen oder Effekte im Film am Ende eindrucksvoll erscheinen.

Es gibt auch Horror-Fans, für die die Tatsache, dass die Figur eines Monsters tatsächlich irgendwo existiert, dem ganzen Film eine noch schaurigere Stimmung verleiht. Denn anders als ein Bild aus dem Computer ist der Auslöser für den Angstschweiß so einen Hauch realer.

Die komplette Freiheit im Design und der Gestaltung, die durch CGI möglich wird, wird auch nicht von allen Filmenthusiasten mit Freude aufgenommen. Das Argument ist, dass die Arbeit mit Einschränkungen und die damit einhergehenden Kompromisse zwar der ursprünglichen Vision entgegenlaufen, allerdings auch so erst die ikonischsten Filmmomente entstehen. Das Kreativität durch limitierte Möglichkeiten gefördert werden kann, sehen auch einige Regisseure so. Zur Zeit des Stummfilms oder der Schwarz-Weiß Ära mussten sie sich überlegen auf welche Weise sie mit ihren Limitierungen umgehen und neue Wege finden dem Publikum das gewünschte Erlebnis zu vermitteln.

Zukunftaussichten des SFX

Auch wenn es Verfechtern der Special Effects schwerfallen wird, die Blütezeit des SFX ist vorbei. VFX haben in den meisten Produktionen die Nase vorn und die Möglichkeiten, welche durch KI-generierte Effekte ermöglicht werden, werden diese Vormachtstellung weiter festigen. Doch das bedeutet nicht, dass SFX nur noch in Independent oder Studenten Horrorfilmen vorkommen werden.

Immer mehr Regisseure setzen sich selbst Einschränkungen, ein aktuelles Beispiel ist etwa Christopher Nolan mit seinem Film Oppenheimer (2023). Bewusst verzichtet er darauf, in seinem Film Szenen einzubauen, die komplett durch CGI-Effekte generiert wurden. Die Atombombenexplosion ist eine Mischung aus Modellaufnahme und einer realen Explosion. Erst durch diese Einschränkungen würde laut Nolan Authentizität erreicht werden und die Explosion nicht zu „sauber“ wirken.

Andere Regisseure setzen darauf, dass sich VFX und SFX nicht ausschließen müssen und kombinieren die beiden Stilmittel. Nicht aus Not, sondern um die Vorzüge beider Techniken hervorzuheben. Wer Fan von praktischen Effekten ist, wird somit auch in Zukunft auf seine Kosten kommen.