Krähenmädchen (Victoria-Bergman-Trilogie, Band 1)

Originaltitel:
Kråkflickan
Autor:
Erik Axl Sund
Genre:
Psychothriller
Umfang:
480 Seiten
Release:
21.07.2014
Verlag:
Goldmann

Als Horrorleser ist man in der nächstgelegenen Bücherei in einer schwierigen Lage. Sicherlich werden unter dem Bereich „Spannung“ einige Klassiker angeboten, mit Stephen King wird man überall versorgt, vielleicht findet man auch das ein oder andere neue Horrorjuwel. Aber zu einem Großteil werden Kriminalromane angeboten. Unzählige Detektive, männlich und weiblich, lösen ihren ersten Fall, viele schaffen es auch ein zweites Mal. Ob man als Horrorfan sich auch an die Bestseller heranwagen kann, wollte ich anhand des neuen Kassenschlagers Krähenmädchen herausfinden. Und man kann auch auf die Kriminalromane ausweichen, diese sind teilweise noch viel heftiger als Bücher von Festa oder dem Heyne Hardcore Verlag.

Erik Axl Sund ist das Synonym für zwei schwedische Brüder, die mit ihrem Debütroman (der in drei Bücher unterteilt wurde) gesellschaftskritische Akzente setzen wollten. Die in Episoden unterteilte Geschichte dreht sich um die Kommissarin Jeanette und die Psychotherapeutin Sophia. Als ein ermordeter Junge aufgefunden wird, merkt Jeanette sofort, dass es sich hierbei um einen routinierten und intelligenten Mörder handeln muss. Wer ist für den Mord verantwortlich, und wann verübt er den nächsten?

Die Autoren entwerfen ein düsteres Bild der schwedischen Gesellschaft. Schleuserbanden bringen illegale Migranten unter unmenschlichen Bedingungen ins Land, Mafiosi unterstützen den Menschenhandel, Frauen werden im beruflichen Alltag immer noch unterdrückt und im Familienleben respektlos behandelt. Ein Bogen wird noch auf Afrika gelenkt – dort gehen Staaten wie Sierra Leone im Bürgerkrieg unter.

Das wichtigste Thema des Buches ist aber der Kindesmissbrauch. Die Kindheit und Jugend einer der Charakterrinnen wird in grausigen Szenen wiedergegeben. Durch den Vater regelmäßig vergewaltigt, später durch mehrere Schicksalsschläge gedemütigt, zerbricht sie an ihren Erfahrungen. In sehr drastischen Szenen setzt sich der Roman fort, kaum ein Szenario nimmt mehr als fünf Seiten in Anspruch.

Die Meinungen über Krähenmädchen sind sehr unterschiedlich – zum Kassenschlager hat es das Buch geschafft, aber nicht jeder ist begeistert.
Obwohl gesellschaftliche Ängste angesprochen werden, bleiben viele Beschreibungen oberflächlich. An vielen Stellen ähnelt das Buch einem „Tatort“, beziehungsweise einem 08/15-Krimi. Viele der Szenen über Kindesmissbrauch erschöpfen sich in sich selbst, und der Missbrauch wird pornografisch. Der Vorwurf von der „Welt“, man würde die missbrauchten Kinder mit solchen Beschreibungen noch mal missbrauchen, ist zwar etwas harsch, aber nicht völlig falsch. Wenn man das Missbrauchsthema im Buch verkraftet, sollte sich dennoch auf wirklich grausame Szenen einstellen.

Dann wiederum wird die Spannung gehoben, den Autoren kommen tolle Ideen und man will unbedingt wissen, wie es weitergeht. Das Ende war nicht völlig überraschend, hat mir aber Lust auf mehr gemacht.

Krähenmädchen hat mir sehr gut gefallen, die allgemeine Rezeption ist aber durchwachsen. Das Buch krankt an Klischees und einer vorhersehbaren Handlung, die Missbrauchsszenen sind beschämend brutal. Dennoch kann man einen Blick riskieren, der Roman ist nämlich sehr kurzweilig und gut geschrieben!