Verkommen

Originaltitel:
Depraved
Autor:
Bryan Smith
Genre:
Horror
Umfang:
376 Seiten
Release:
21.03.2012
Verlag:
Festa

Bryan Smith ist ein Horrorautor aus Tennessee, dessen Romane nun ins Deutsche übersetzt werden. Das erste dieser Werke ist Verkommen, welches 2007 in den USA erschienen ist. Obwohl Smith als Slasherkönig bezeichnet wird und der Festa Verlag ihn auf eine Stufe mit Laymon und Ketchum stellt, ist dieses Werk von ihm ein reinrassiger Splatterroman, der nicht so gut funktioniert wie die großen Vorbilder, aber dennoch Spaß macht.

Der Roman dreht sich um eine Hinterwäldlersiedlung im amerikanischen Niemandsland, in der aus Zufall mehrere unterschiedliche Leute in eine Falle geraten und von den kannibalischen Einwohnern gefangen genommen werden. Eine vergewaltigte Frau bringt ihren Peiniger in die Wildnis und will ihn dort hinrichten, doch sie wird plötzlich von einigen Psychopathen verfolgt, während er für die Rituale eines Verrückten, der einen Pakt mit dem Teufel eingegangen ist, sterben soll. Ein Mann und seine Freundin werden voneinander getrennt, wobei sie als mordende Stripperin angeheuert und er in einem Käfig mit einer Verrückten gefangen gehalten wird. Zudem versucht eine junge Frau, ihrer eigenen Familie zu entkommen, weil sie ein zivilisiertes Leben in der Stadt beginnen will. Die Bewohner der Siedlung sind nicht nur perverse Kannibalen, auf ihnen lastet seit 170 Jahren auch ein Fluch, der sie zu missgebildeten Monstern gemacht hat.

Verkommen liest sich wie das Drehbuch zu einem Backwoodslasher der Marke „Wrong Turn“ und „2001 Maniacs“. Bloß fehlen hier die Slasherelemente, weil es keine Gruppe von Teenagern gibt, die alle ermordet werden, sowie keinen Killer, der die Opfer indirekt für ihre Sünden bestrafen will. Die anfangs noch bürgerlichen, sensiblen Charaktere lernen sich gegenseitig nicht kennen, sondern durchlaufen alle ihre eigene Odyssee durch das kleine Städtchen mit seinen verrückten Bewohnern. Dabei werden sie selbst alle ein bisschen verrückt, entdecken ihre Obsession für das Töten, den Appetit auf Menschenfleisch und lassen sich zu Sex mit gleichgeschlechtlichen Partnern verführen.
Die Kapitel der fünf Hauptcharaktere wechseln sich ständig ab, wobei man die gute Strukturierung bemerken muss. Kein Handlungsstrang kommt zu kurz, das Buch wirkt sehr ausgewogen.

Die größte Stärke des Romans ist seine nüchterne, meist klischeefreie Schilderung des Massakers in dem Dorf. Es gibt keine moralische Barriere, Brutalitäten werden schamlos erzählt, Sex wird explizit dargestellt. Die Charaktere haben immer weniger Gewissensbisse und leben ihre Begeisterung für Sex und Gewalt durchgehend aus. Während viele Romane sich als Thriller oder Krimis bezeichnen und mehr Wert auf eine komplizierte Story legen, konzentriert dieser sich vollkommen auf die heftigen Geschehnisse in einer von wirklich bekloppten Hinterwäldlern bewohnten Gegend und artet in einem Blutbad aus.
Verkommen ist also ein Splatterroman, wie man ihn sich vorstellt; brutal, simpel, lustig und schamlos.

Was man dementsprechend nicht erwarten kann ist Anspruch. Also Leute, die einen düsteren, vielschichtigen und eventuell noch der Schwarzen Romantik zugehörigen Roman lesen wollen, sollten die Finger von Verkommen lassen! Das ist nicht unbedingt ein Nachteil, aber es sollte hier jedenfalls gesagt sein. Der Autor beabsichtigt es ganz klar, den Leser mit Gewalt und Sex zu unterhalten.

Wirklich schade ist jedoch, dass dieser Roman nicht gruselig ist. Denn spätestens nach den ersten 100 Seiten stellt sich eine gewisse Routine ein; Sex und Gewalt umschlingen die dünne Handlung, die sich nur langsam vorwärts bewegt. Hätte man noch einige gruselige Szenen zugefügt, dann wäre das Werk runder geworden. In dem besseren „Beutezeit“ von Jack Ketchum, ein Roman, der diesem von der Geschichte her ähnlich ist, hat man als Leser um die Charaktere gebangt und sich mit ihnen vor den Ungeheuern gefürchtet, während Verkommen mit überzeichneten, witzigen Charakteren arbeitet (Stripperin mit Eispickel. Nymphomanin mit Kettensäge...), aber zu wenig Spannung erzeugt.

Zudem vermisst man starke Wendungen. Die Geschichte verläuft linear und wird irgendwann vorhersehbar. Die Charaktere durchlaufen zwar eine Entwicklung, sie entfalten sich aber kaum. Aus den guten Figuren hätte man mehr rausholen können, auch in einem Splatterroman. Da das hier nicht passiert ist, wirkt auch das Ende ein wenig flach.

Smith schreibt hier nicht so spannend wie Jack Ketchum, nicht so raffiniert wie Laymon und lange nicht so anspruchsvoll wie einer der beiden. Ein nicht ganz makelloser Schreibstil und mehrere sich wiederholende Phrasen wirken sich auch negativ auf das Gesamtbild aus. Wer Splatter in Reinform sucht, wird hier jedoch fündig. Die brutalen und pornographischen Szenen sind explizit und stimmig umgesetzt, und wer kompromisslose Hardcorekost sucht, kann hier bedenkenlos zugreifen!