Weißer Teufel

Originaltitel:
The White Devil
Autor:
Justin Evans
Genre:
Thriller/ Drama
Umfang:
462 Seiten
Release:
21.01.2013
Verlag:
atb

Justin Evans bisher einziger ins Deutsche übersetzte Roman Weißer Teufel wird von Stephen King als „richtig gute Ghost Story“ angepriesen. Der Roman, angesiedelt in einem englischen Internat, weiss zu überzeugen. Jedoch handelt es sich hier weniger um eine Gruselgeschichte als um ein spannendes Werk mit vielen Bezügen auf die Harrow School und den Dichter George Gordon Byron.

Der Protagonist Andrew ist ein 17-jähriger Amerikaner, der wegen seiner Drogenprobleme auf ein strenges, britisches Internat geschickt wird. Gleich am ersten Tag wird er Zeuge eines Mordes, der aber nicht von einem Menschen, sondern von einem Geist begangen wird. Mit der Unterstützung einer Mitschülerin und eines alkoholabhängigen Lehrers geht Andrew dem Geist auf die Spur. Er entdeckt dabei, dass dieser einst in Lord Byron verliebt war, doch da die Liebe nie erfüllt wurde, macht der Geist nun Jagd auf Andrew, der Byron wie aus dem Gesicht geschnitten ist.

Die unkonventionelle Geschichte ist spannend. Der Geist versucht alles, um Andrew für sich zu gewinnen, während dieser nur sich und seine Freundin beschützen will. In hitzigen Diskussionen mit seinem Lehrer versucht er, eine Lösung für das Problem zu finden und erfährt bei seinen Recherchen immer mehr über die tragische Vergangenheit des Geistes.

Das Buch kann sowohl mit einem sehr schönen Schreibstil als auch mit tollen Charakteren punkten. Sowohl der gescheiterte Lehrer als auch der heranwachsende Protagonist sind als Personen greifbar und es macht Spaß, sie bei ihrem Überlebenskampf zu verfolgen. Auch die Kapitel, in denen es vornehmlich um die Literatur im 19. Jahrhundert geht, sind stimmig, da sie von Fachwissen zeugen und einige schöne Zitate bereithalten.

Diese Passagen nehmen jedoch Überhand. Der Bezug auf Lord Byron und John Harness ist keine Randerscheinung. Leute ohne Vorwissen oder Interesse für eine der beiden Personen kann man diesen Roman nur bedingt empfehlen.

Denn in den vielen Passagen, in denen Byron zitiert und die Geschichte von Harness erzählt wird, geht die eigentlich gruselige Stimmung unter. Das sollte bei einem Horrorroman eigentlich nicht passieren (daher die Genrezuweisung zu Drama/Thriller).
Zudem ist das Ende sehr schnell und unspektakulär abgewickelt. Es ist zwar rund, hat aber deutlich mehr Potential als genutzt wurde. Man stellt sich als Leser die Frage, was der Autor denn eigentlich erreichen will; Möchte er eine gruselige Geschichte oder eine Geschichte über Byron erzählen?

Dieser Roman ist also sehr auf den Dichter Lord Byron ausgelegt. Natürlich können dessen Fans bei dem Buch nichts falsch machen, aber Leute, die lediglich einen Horrorroman lesen wollen, sollten sich auf den starken Fokus auf ihn gefasst machen.
Die Horrorgeschichte an sich ist stimmig, wenn auch lange nicht so stark, wie sie es hätte sein können. Eine Geistergeschichte in einem Internat hat so viele Möglichkeiten, gruselig und originell zu sein. Die Stimmung wird zwar erzeugt, aber die Handlung, die mehr in der Bibliothek als in dem alten Internatsgebäude angelegt ist, wehrt sich durchgehend dagegen, eine reine Horrorgeschichte zu sein.

Für Fans von Lord Byron ist das Buch sicherlich zu empfehlen. Alle anderen sollten abwägen. Die Geschichte ist gut geschrieben und kommt mit tollen Charakteren auf. Sie krankt jedoch daran, dass sie zu wenig Grusel bietet, einen ziemlich großen Fokus auf Byron hat und dass ihr Ende sehr abrupt ist. Wer sich auf diese Mängel einstellen kann und offen für die Literatur des 19. Jahrhunderts ist, sollte dieses Buch lesen!