Review
Am 20. April 2013 war es soweit. Im Rahmen des Fright Nights Horrorfilmfestivals in Wien konnten wir den meisterwarteten Film des noch jungen Kinojahres sehen. Über keinen Horrorfilm wurde mehr berichtet, keiner wurde von einer so großen Fanbase willkommen geheißen und an kein anderes Werk wurden so hohe Erwartungen gestellt.
Die wichtigste Frage vorweg: Kann der Film diesem immensen Druck standhalten? Ja, ja und nochmal ja!
Fünf junge Erwachsene fahren in ein abgelegenes Waldhaus um einer ihrer Freundinnen, Mia, dabei zu helfen ihre Drogensucht loszuwerden. Kalter Entzug! Für Mia öffnet sich die Hölle bereits in dem Moment, in dem sie das Pulver in den Brunnen leert.
Für den Rest der Gruppe beginnt der Horror nachdem der intellektuelle Eric einen Fluch aus dem Höllenbuch vorliest. Etwas Böses kommt aus dem Wald…
Die Vorlage „The Evil Dead“ von Sam Raimi aus dem Jahre 1981 gilt längst als Meilenstein der Horrorfilmgeschichte. Sam Raimi ist bei dem Remake mit dem fast identen Namen „Evil Dead“ zwar noch als Produzent an Bord, die Regie vertraut er jedoch mit Fede Alvarez einem jungen Newcomer an, der außer einem Kurzfilm („Panic Attack“) noch nichts Nennenswertes in seiner Filmografie vorzuweisen hat. Von diesem Problem ist der gute Fede jetzt befreit.
Seine Inszenierung ist über alle Zweifel erhaben. In jeder Einstellung steckt enorm viel Liebe und Gefühl; von der ersten Minute an ist man in den Bann gezogen und kann diesem bildgewaltigen, optisch atemberaubenden Alptraum nicht mehr entfliehen.
Egal ob das die märchenhaften Wald- und Landschaftseinstellungen zu Beginn sind, die vielen „Vertigo“-Fahrten oder die kreativen Spielereien mit diversen Lichtquellen, es fügt sich alles zu einem homogenen Ganzen zusammen.
Die größte positive Überraschung liefert der Film in den ersten 20 Minuten. Bei vielen seelenlosen Streifen wird die Einleitung nur rasch abgehandelt um die Horrorelemente starten zu lassen, doch nicht so bei „Evil Dead“. Die Charakterzeichnung stimmt genau, die Schauspieler sind nicht nur gut sondern sympathisch und die Idee, weg vom „Urlaub im Wald“ zum „Kalten Entzug einer Freundin“ zu gehen, erweist sich als wahrer Geniestreich. An dieser Stelle sticht der Film die komplette Konkurrenz aus.
Viel wurde über die brutale Härte von Evil Dead geschrieben. Auf dem deutschen Kinoplakat liest man: „Der schockierendste Film, den du jemals sehen wirst.“ Stimmt das? Vielleicht. Natürlich spielt hier die subjektive Wahrnehmung eine große Rolle, doch man kann zweifelsfrei sagen, dass der Film vor Gewalt strotzt und die Effekte richtig gut aussehen (es wurde völlig auf CGI verzichtet).
Prunkstück ist jedoch nicht unbedingt der Gore- und Splattergehalt, sondern die dämonische Besessenheit der Charaktere. Das Böse ist zum Greifen nahe. Jedes Mal, wenn der Dämon durch Mia spricht, fährt einem ein kalter Schauer über den Rücken. Hier erreicht der Film in seiner Schockwirkung eine Tiefe, die nur mit Blut und Gewalt alleine, unangetastet geblieben wäre.
Zu guter Letzt hat der Film auch noch eine gesunde Brise Skurrilität und Humor, zwar nicht so ausufernd wie bei „Tanz der Teufel 2“, aber dennoch sehr unterhaltsam und abwechslungsreich. Im Allgemeinen hat Fede Alvarez nicht versucht den Original-Klassiker zu kopieren, sondern „Evil Dead“ ist ein eigenständiger Film, der an den richtigen Stellen Zitate setzt (z.B. Egoperspektive durch den Wald und Baumvergewaltigung).
Wofür gab es dann die 0,5 Punkte Abzug? Das Ende ist nicht ganz so rund wie der Anfang und beinhaltet ein holpriges, dramaturgisches Experiment. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau und mindert die Gesamtqualität nur marginal.
Fazit: Fede Alvarez‘ „Evil Dead“ erfüllt die Erwartungen nicht nur, er übertrifft sie sogar. Ein optisch und technisch brillanter Film der zeigt, wie Horror funktioniert. Spannung bis zur letzten Sekunde, mutige Story, tolle Darsteller und Schockeffekte die auf mehreren Ebenen funktionieren. Ein absolutes Muss!